Kolumbien
Einführung
«In Kolumbien herrscht immer noch großes Misstrauen»Kolumbien verfügte 2018 über knapp 50 Millionen Einwohner und erzielte eine Wirtschaftsleistung von gut 330 Milliarden US-Dollar. Gemäß Einteilung der Weltbank (2018) zählt Kolumbien zu den Ländern mit höherem mittlerem Einkommen und belegt im Index der menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen den 90. Rang. Somit wird Kolumbien bezüglich Lebenserwartung, Bildungsniveau und Lebensstandard als Land mit hohem Entwicklungsstand eingestuft. Bei diesen auf Mittelwerten basierenden Indikatoren bleiben jedoch die großen Einkommensunterschiede weitgehend unberücksichtigt, die in Kolumbien herrschen, und die in einem Gini-Koeffizient von 49,7% (2017) zum Ausdruck kommen.
Die kolumbianische Außenhandelsquote lag 2018 bei 36,8%, wobei das Land Waren und Dienstleistungen in Höhe von gut 69 Milliarden US-Dollar einführte und von knapp 52 Milliarden US-Dollar ausführte. Im gleichen Jahr betrugen die Investitionsbestände aus dem Ausland 189 Milliarden US-Dollar. Damit entfielen 10% der in Lateinamerika befindlichen Direktinvestitionen auf Kolumbien.
2016 haben die Regierung und die Guerillagruppe Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) ein Abkommen zur Beendigung ihres bewaffneten Konflikts erzielt. Ob der damit eingeleitete Friedensprozess erfolgreich sein kann, wird auch davon abhängen, ob Kolumbien die drängenden gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen wirksam angeht, mit dem das Land konfrontiert ist. Im Corruption Perceptions Index von Transparency International (2019) belegt Kolumbien den 99. Platz von 180 weltweit, was bedeutet, dass das Korruptionsniveau im öffentlichen Sektor als hoch wahrgenommen wird.
In den 52 Jahren des Bürgerkrieges kam es von Seiten der Guerillas, Paramilitärs sowie der Sicherheitskräfte wiederholt zu massiven Menschenrechtsverletzungen, welche durch das 2016 beschlossene Friedensabkommen deutlich eingedämmt werden konnten. Human Rights Watch (2019) stellt jedoch besorgt fest, dass nach ersten Rückgängen im Zusammenhang mit dem 2015 vereinbarten Waffenstillstand der FARC die Gewalt im Jahr 2018 wieder zugenommen hat und Menschenrechtsverteidiger, Gewerkschaftsvertreter und Journalisten weiterhin bedroht, angegriffen und an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert werden. Darüber hinaus sei festzustellen, dass die sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten der indigenen Bevölkerung des Landes stark eingeschränkt seien. Mangelernährung, Krankheiten und Kindersterblichkeit seien die Folge. 2019 registrierte Reporter ohne Grenzen, dass in Kolumbien ein Journalist im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit getötet wurde. In der Rangliste der Pressefreiheit belegt das Land den 129. Platz von 180 Ländern.
Laut offiziellen Statistiken, werden bei 81% der Bevölkerung die Siedlungsabfälle eingesammelt (2012), und 1% der Abfälle wird recycelt (2011). 96,5% der Bevölkerung haben Zugang zu grundlegenden Trinkwasserdienstleistungen (2015), wobei zwischen den städtischen Gebieten mit 99,8% und den ländlichen Regionen mit 86,0% ein deutliches Stadt-Land-Gefälle zeigt. Auffallend ist darüber hinaus, dass lediglich 71,1% der Bevölkerung Zugang zu Trinkwasserquellen haben, die als sicher eingestuft werden. 77% der Bevölkerung sind an das Abwassersammelsystem angeschlossen (2010).
Die CO2 Emissionen pro Kopf liegen mit 1,8 Tonnen sowohl deutlich unter dem weltweiten Mittel (5,0 Tonnen) als auch unter dem Durchschnittwert in Lateinamerika (3,1 Tonnen).
Im Folgenden wird jeweils eine Herausforderung auf einzelbetrieblicher Ebene aus den Gebieten dargestellt und aufgezeigt, wie Unternehmen versuchen, ihrer unternehmerischen Verantwortung in den beschriebenen Bereichen gerecht zu werden.
Für Unternehmen ergeben sich in Kolumbien bezüglich Menschenrechte / Arbeitsbedingungen, Umwelt und Korruption unterschiedliche Herausforderungen, auf die in den folgenden Abschnitten exemplarisch näher eingegangen wird. Außerdem werden Beispiele beschrieben, wie Unternehmen in den drei Bereichen ihrer unternehmerischen Verantwortung nachkommen.
Menschenrechte
«Kolumbien durchlebte ein trauriges Zeitalter»Das Friedensabkommen zwischen dem kolumbianischen Staat und der Guerillaorganisation FARC bietet die Chance, dass die Gewalt in Kolumbien zurückgeht. Durch den Rückzug der FARC aus seinen ehemaligen Gebieten ist jedoch ein Machtvakuum entstanden, das es anderen bewaffneten Gruppierungen ermöglicht, sich auszubreiten. Der Staat war in den Territorien der FARC nicht präsent und füllt auch heute noch nicht die Rolle aus, die er übernehmen müsste. Dies lässt die Bevölkerung in einem schutzlosen und rechtsfreien Raum, in dem sie weiterhin unter Gewalt von paramilitärischen Organisationen, illegalen Gruppierungen und kriminellen Banden leidet.
Für eine erfolgreiche Umsetzung des Friedensprozesses ist es auch notwendig, dass sich die ländlichen und oft schwer zugänglichen Gebiete wirtschaftlich entwickeln, die jahrzehntelang von der Guerillagruppe beherrscht wurden. Hierbei kommt dem Privatsektor eine wichtige Rolle zu, etwa durch Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Wiedereingliederung ehemaliger FARC-Kämpfer in das zivile (Arbeits-)Leben. Hierzu müssen diese unter anderem eine berufliche Ausbildung erhalten. Auch wenn den Unternehmen hierfür nicht die gesamte Verantwortung aufgebürdet werden kann, so gibt es im Kleinen doch erste Beispiele von Unternehmen, die ein Arbeitsumfeld mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen geschaffen haben.
Nach über 50 Jahren Bürgerkrieg ist der Privatsektor aber auch gefordert, sich aktiv für die Aufarbeitung des bewaffneten Konfliktes zu engagieren und damit zur Aussöhnung beizutragen. Hierzu müssen die Unternehmen ihre Rolle im bewaffneten Konflikt aufarbeiten, indem sie beispielsweise an einer nationalen Wahrheitskommissionen mitwirken oder Historiker untersuchen lassen, ob und wie das Unternehmen mit Guerillagruppe oder paramilitärischen Organisationen kooperiert haben.
Umwelt
«Umweltschutz zählt zu den größten Herausforderungen für Kolumbien»Der kolumbianische Agrarsektor ist ein Wirtschaftszweig, der in punkto Umweltschutz mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert ist. So werden bei der industriellen Blumenproduktion Pestizide eingesetzt, die von der Weltgesundheitsorganisation als giftig und krebserregend eingestuft werden. Aufgrund mangelnder Sicherheitsvorkehrungen werden durch die Chemikalien Krankheiten hervorgerufen und es kommt in der Umgebung der Blumenplantagen zu Verunreinigungen des Grundwassers.
In der Agroindustrie gibt es aber auch Beispiele von Unternehmen, die sich aktiv für den Umwelt- und Klimaschutz einsetzen. So tätigte ein kolumbianisches Familienunternehmen der Getränke- und Zuckerindustrie Millioneninvestitionen in neue Technologien, um die Umweltbelastungen zu reduzieren. Zum einen wurden moderne Schornsteinanlagen installiert, die einen Großteil der Schadstoffe aus der Abluft filtern, zum anderen wurden Bewässerungsanlagen angeschafft, bei denen die Wasservergeudung auf ein Minimum reduziert wird. Ferner verkauft das Unternehmen Pressrückstände des Zuckerrohrs weiter an Unternehmen, die daraus Papier herstellen. Aus anderen Rückständen des Verarbeitungsprozess wird Ethanol erzeugt, der zur Energieproduktion eingesetzt wird. Auf diese Weise wird versucht, möglichst alle Stoffe weiter zu verwenden oder zu recyceln.
Korruption
«Der informelle Sektor ist eine Tragödie für Kolumbien»Die kolumbianische Wirtschaft ist durch einen hohen Grad an Informalität gekennzeichnet. Ein Großteil der Beschäftigten ist im informellen Sektor tätig. Es wird zwischen informellen und illegalen Unternehmen unterschieden. Informell sind all jene Unternehmen, die grundsätzlich regelkonform agieren, aber nicht bei der Handelskammer registriert sind. Sie wären jedoch prinzipiell registrierfähig. Illegal sind hingegen all jene Unternehmen, die nicht bewilligungsfähige Aktivitäten nachgehen, da sie bspw. in Gebieten operieren, die unter Naturschutz stehen. Einerseits empfinden die Unternehmen die Formalisierung als unnötig großen bürokratischen Aufwand, andererseits ist das Denken weit verbreitet, dass derjenige, der Steuern bezahlt, bestohlen werde. Außerdem orientiert man sich an anderen Unternehmen. Wenn diese ebenfalls informell funktionieren und dafür nicht geahndet werden, warum sollte man selbst dann etwas ändern.
Für multinationale Unternehmen und die lokalen Unternehmen des formalen Sektors ist der hohe Grad an Informalität mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Dies gilt vor allem dann, wenn die Unternehmen Projekte in ländlichen Gebieten realisieren, da dort der Grad an Informalität besonders ausgeprägt ist. Dennoch gibt es Beispiele von Unternehmen, denen es auch in diesem Fall gelingt, sicherzustellen, dass in ihrer Lieferkette nur formelle Unternehmen tätig sind.
Dies erreichen die Unternehmen einerseits, indem sie formale Zulieferer aus den großen Städten in die ländlichen Gebieten mitbringen, auch wenn sich dies aufgrund der großen geografischen Distanzen häufig als sehr ineffizient erweist. Andererseits entwickeln die Unternehmen Zulieferer aus dem ländlichen Raum und führen diese in die Formalität. Einige Unternehmen nehmen diese Entwicklungsaufgaben in ihre Projektkalkulation auf. Die Einbindung von lokalen Unternehmen in die Projektarbeit hat den positiven Zusatzeffekt, dass dies die Akzeptanz des Projektes in der lokalen Bevölkerung deutlich steigert.