Brasilien

m ü. M. Hauptstadt 1 172 m
BIP/Kopf 8 650 USD
Einwohner 207 652 865
Fläche 8 515 770 km2

Einführung

«Brasilien ist ein traumhaftes Land, das von einer korrupten Elite beherrscht wird»

Mit rund 209,5 Millionen Einwohnern und einem Bruttoinlandsprodukt von 1 869 Milliarden US-Dollar ist Brasilien die mit deutlichem Abstand größte Volks­wirtschaft Lateinamerikas und das einzige portugiesischsprachige Land der Region. Bezogen auf das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen klassifiziert die Weltbank (2018) Brasilien als Land im oberen mittleren Einkommensbereich und im Wohlstandsindikator der Vereinten Nationen HDI (2018) belegt das Land weltweit den 79. Rang. Damit gehört Brasilien in die Gruppe der Länder, die bezogen auf die Lebenserwartung, das Bildungsniveau sowie den Lebensstandard einen hohen Entwicklungsgrad aufweisen. Ein Gini-Koeffizient von 53,3% (2017) macht jedoch deutlich, dass die Einkommenskluft zwischen Arm und Reich in Brasilien so groß wie nur in wenigen anderen Ländern weltweit ist.

Entstehung des brasilianischen Bruttoinlandsprodukts, 2017
Land-, Forstwirtschaft, Fischerei
5,2 %
Bergbau, Energieversorgung
4,9 %
Verarbeitendes Gewerbe
12,1 %
Baugewerbe
5,6 %
Gross-, Einzelhandel, Gastgewerbe
16 %
Verkehr, Lagerhaltung, Kommunikation
8 %
Andere Leistungen
48,2 %
United Nations Statistics Division (2019a)
2017 steuerten der Groß- und Einzelhandel sowie das Gastgewerbe 16,0% zur Entstehung der brasilianischen Wirtschaftsleistung bei. Es folgten das Verarbeitende Gewerbe mit 12,1% und der Sektor Verkehr, Lagerhaltung und Kommunikation mit 8,0%. Das Baugewerbe trug 5,6%, der Agrarsektor 5,2% sowie Bergbau und Energieversorgung 4,9% bei. Auffallend ist, dass in Brasilien fast die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes (48,2%) in den sonstigen Sektoren (ISIC J-P) entstehen. Dieser Wert ist ähnlich hoch wie in Deutschland und der Schweiz und liegt deutlich über den Werten der anderen lateinamerikanischen Länder. Damit gleicht sich die brasilianische Wirtschaftsstruktur prinzipiell der von postindustriellen Ländern an, auch wenn dem Agrar- und Rohstoffsektor immer noch eine überproportionale Bedeutung zukommt.

Brasilien ist ein Land mit großer Binnenwirtschaft, in der ein Großteil der Arbeitsteilung im Inland stattfindet. Dies belegt eine Außenhandelsquote von lediglich 29,1% im Jahr 2018. Im selben Jahr summierten sich die Einfuhren von Waren und Dienstleistungen auf knapp 267 Milliarden US-Dollar und die Ausfuhren auf gut 277 Milliarden US-Dollar. Ebenfalls im gleichen Jahr betrug der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen in Brasilien 684 Milliarden US-Dollar. Damit wurde über ein Drittel aller Auslandsinvestitionen in Lateinamerika (36%) in Brasilien getätigt.

Anteil der wichtigsten Ausfuhrgüter an den brasilianischen Gesamtausfuhren, 2017
Rohstoffe (ohne Erdöl)
28,6 %
Nahrungsmittel
22,1 %
Maschinen
6,8 %
Kfz und –Teile
6,6 %
Erdöl
7,6 %
Eisen und Stahl
5,2 %
Chemische Produkte
5,5 %
Sonstige
17,6 %
GTAI (2019)
2017 machten Rohstoffe 28,6% aller brasilianischen Exporte aus, dicht gefolgt von Nahrungsmitteln mit 22,1%. Der Anteil von Maschinen (6,8%) sowie Kfz und -Teile (6,6%) lag dagegen bedeutend niedriger. Die Erdölexporte trugen mit 7,6% zu den Gesamtausfuhren bei. Diese Zahlen belegen, dass die brasilianische Exportwirtschaft stark rohstoffgetrieben ist. Demgegenüber spielt der Export von Industriegütern eine untergeordnete Rolle.

Brasilien wird seit 2014 von einer tiefgreifenden politischen und wirtschaftlichen Krise erschüttert, die durch den Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Erdölkonzern Petrobrás ausgelöst wurde. Gemäß den Daten von Transparency International (2019) wird Korruption in Brasilien als weit verbreitet wahr­ge­nom­men. Im Korruptionsindex der Organisation belegt das Land weltweit den 105. Platz von 180 im weltweiten Vergleich.

Laut Human Rights Watch (2017) kennzeichnen chronische Men­schen­rechts­pro­bleme den brasilianischen Sicherheitsapparat, dazu gehören extralegale Tötungen durch Polizisten, Überbelegung von Gefängnissen sowie Folter und Misshandlung von Häftlingen. Auch von Seiten der Wirtschaft sind wiederholt Fälle von Menschenrechtsverletzungen dokumentiert. Hierzu zählen Fälle von Zwangsarbeit und missbräuchliche Arbeitsbedingungen unter sklavenähnlichen Zuständen. Darüber hinaus sehen sich Aktivisten, die sich für die Rechte der landlosen und indigenen Bevölkerung stark machen, zum Teil massiven Angriffen, Drohungen und Einschüchterungen ausgesetzt. 2018 wurde in Brasilien nach Angaben von Reporter ohne Grenzen kein Journalist im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit getötet und ein Journalist inhaftiert. Das Land belegt Platz 105 in der Rangliste der Pressefreiheit.

In Brasilien werden bei 91% der Bevölkerung die Siedlungsabfälle eingesammelt (2012) und rund 1% der Abfälle wird recycelt (2000). 97,5% der Bevölkerung haben Zugang zu grundlegenden Trinkwasserdienstleistungen (2015), wobei ein deutliches Gefälle zwischen städtischen Gebieten (99,3%) und dem ländlichen Raum (86,6%) festzustellen ist. Bezüglich des Anteils der Bevölkerung, der über Zugang zu als sicher eingestuften Trinkwasserquellen verfügt, liegen keine statistischen Daten vor. 45% der Bevölkerung sind an ein Abwassersammelsystem angeschlossen (1993).

Der brasilianische Pro-Kopf-Ausstoß an CO2 lag 2014 bei 2,6 Tonnen und damit sowohl unter dem weltweiten Mittel (5,0 Tonnen) als auch dem la­tein­ame­ri­ka­nisch­en Durchschnittswert von 3,1 Tonnen.

Anhand von ausgewählten Beispielen wird in den nächsten Abschnitten beschrieben, mit welchen Herausforderungen sich Unternehmen in Brasilien in den Bereichen Menschenrechte/Arbeitsbedingungen, Umwelt und Korruption konfrontiert sehen. Außerdem wird exemplarisch vorgestellt, welche Maßnahmen Unternehmen ergreifen um ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden.

Menschenrechte

Menschenrechte

«Arbeit fehlt nicht, aber Arbeitsplätze gibt es keine»

Obwohl die Sklaverei in Brasilien verboten ist und strafrechtlich verfolgt wird, gibt es immer wieder Fälle von ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen und moderner Sklaverei. Zu derartigen Menschenrechtsverletzungen kommt es bspw. auf den Feldern der Zuckerrohr- oder Obstplantagen sowie beim Sojaanbau. Oft ist die Arbeit auf den Plantagen die einzige, die es in den ländlichen Regionen gibt. Arbeitsschutzvorkehrungen sind vielfach ungenügend und die Arbeiter sind unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht.

Zudem ist der brasilianische Agrarsektor von zahlreichen Landkonflikten geprägt. Ungeklärte Besitzverhältnisse und das Vorrücken der Agrargrenze führen zur Vertreibung von Kleinbauern und der indigenen Bevölkerung. In Brasilien lebt die indigene Bevölkerung weitgehend marginalisiert. Die fehlende Sicherheit ihrer Landrechte führt immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.

Es gibt aber auch Beispiele von Unternehmen, die proaktiv mit der indigenen Bevölkerung kooperieren und ihr bspw. einen Marktzugang ermöglichen. Hierzu zählt ein Familienunternehmen aus der Agrotourismusbranche. Die indigenen Familien aus einem nahegelegenen Reservat können ihr Kunsthandwerk auf dem Gelände der Öko-Farm verkaufen und müssen hierfür keine Kommission bezahlen. Ferner findet auf der Farm einmal pro Jahr eine Woche der indigenen Völker Brasiliens statt, in deren Rahmen zahlreiche kulturelle Events durchgeführt werden. Diese Zusammenarbeit ermöglicht der indigenen Gemeinschaft eine auskömmliche Existenzgrundlage auf der Basis ihrer eigenen kulturellen Identität.

Umwelt

Umwelt

«Nachhaltigkeit muss in das Kerngeschäft integriert werden»

Vielfach empfinden Unternehmen Umweltauflagen als bürokratische Hürden und Kostentreiber. Es gibt aber auch Beispiele von Unternehmen, die proaktiv nach innovativen und kreativen Lösungen suchen, um das Thema Umwelt- und Klimaschutz in ihrem Kerngeschäft zu verankern. Diese Unternehmen nutzen das Thema Nachhaltigkeit als Innovationstreiber und Differenzierungsmerkmal. Es geht ihnen dabei nicht nur darum, die Umwelt und das Klima zu schützen, sondern auch als Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Ein brasilianisches Familienunternehmen aus der Tourismusbranche versucht dies konsequent umzusetzen und hat auf diese Weise in den zurückliegenden Jahren zahlreiche Innovationen hervorgebracht. So nutzt das Unternehmen die Hitze des Kohlefeuers in der traditionellen Churrasqueira dazu, um das Warmwasser für den Hotel- und Gaststättenbetrieb zu erzeugen. Auch ein passender Name für die Methode wurde erfunden: «Banho gaúcho». Mit Innovationen wie dieser differenziert sich das Unternehmen auf dem brasilianischen Tourismusmarkt und konnte damit auch in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld erfolgreich wachsen. Außerdem hilft die Innovation dem Unternehmen jeden Monat mehrere Tausend US-Dollar an Energiekosten zu sparen.

Rafael Sittoni Goelzer
Interview mit Rafael Sittoni Goelzer
Korruption

Korruption

«Das Gesetz gilt für alle»

Aufgrund des Korruptionsskandals um den halbstaatlichen Erdölkonzern Petrobrás und weitere einstige Vorzeigeunternehmen, der seit 2014 aufgearbeitet wird, ist der Kampf gegen die Korruption in der brasilianischen Öffentlichkeit sowie den Medien heute sehr präsent. Dies hat dazu geführt, dass ein breiter Konsens darüber herrscht, dass Korruption bekämpft werden muss, da sie Ressourcen aus dem Bildungs- und Gesundheitswesen sowie weiteren wichtigen staatlichen Leistungs­bereichen abzweigt. Das Land hat nur dann eine realistische Chance, die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu erreichen, wenn es gelingt, die Korruption nachhaltig einzudämmen.

Darüber hinaus scheinen viele Unternehmer und Manager erkannt zu haben, dass korruptes Verhalten für Unternehmen schwerwiegende und verheerende Folgen haben kann. Neben der Schärfung des Bewusstseins für die Problematik haben die Unternehmen eine Reihe von konkreten Maßnahmen ergriffen, um ihre Grundsätze der Unternehmensführung zu verbessern. Es wird eine große Anzahl an Schulungen, Konferenzen, Seminaren und Publikationen angeboten, die den Unternehmen dabei helfen sollen.

Um die brasilianischen Unternehmen in diesem Prozess zu unterstützen lädt ein großes, multinationales Unternehmen an einem Tag pro Monat sechs bis acht Unternehmen zu sich ein, um den Gästen zu zeigen, wie ein Compliance-System in der Praxis funktioniert und wie es adaptiert und implementiert werden kann. An dieser speziellen Art der Betriebsführung haben bereits rund 500 Unternehmen teilgenommen. Darüber hinaus hat das Unternehmen spezielle Materialien für Schulen und Universitäten entwickelt, mit dem es Schüler und Studierende für das Thema Korruptionsprävention sensibilisiert.

Roberta Codignoto
Interview mit Roberta Codignoto
Marina Ferro
Interview mit Marina Ferro

Fazit

Dr. Christian Hauser
Fazit-Video Dr. Christian Hauser

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Durchgeführte Interviews